Wenn die Batterie im E-Fahrzeug altert, fällt irgendwann die Kapazität unter eine akzeptable Schwelle. Doch das heißt nicht, dass die Batterie nicht mehr nutzbar wäre und ins Recycling muss. Für andere Anwendungen reicht die Kapazität noch lange aus. Mehr als zehn Jahre können solche Batterien noch in Stromspeichern dienen. Nicht nur in Großanlagen – EDAG hat ein Konzept entwickelt, wie daraus nachhaltige, attraktiv designte Speichersysteme für die heimische Photovoltaik-Anlage entstehen können.
Weltweit sind E-Fahrzeuge auf dem Vormarsch, ungeachtet einer zwischenzeitlichen Absatzdelle. Der Hochlauf bei den Fahrzeugen jetzt bedeutet aber auch, dass in acht bis zehn Jahren entsprechend viele Traktionsbatterien aus dem Morgen zurückkommen – und spätestens dann stellt sich die Frage, was damit geschehen soll. Stand heute befindet sich das Recycling noch im Hochlauf. Die Batterie-Technik ist auf allen Ebenen in Bewegung, so dass sich viele unterschiedliche Technologien, Designs und Spezifikationen finden. Das behindert ein automatisiertes Recycling und treibt die Kosten hoch. So sind viele Akteure auf der Suche nach tragfähigen Business-Modellen. Allen voran bemühen sich die großen OEMs – auch getrieben von der 2023 überarbeiteten EU- Batterieverordnung – um Rücknahme- und Verwertungskonzepte.
Second Life statt Recycling
Für eine stoffliche Verwertung und Rückgewinnung von Rohstoffen sind die ausgetauschten Batterien allerdings eigentlich noch zu gut. Im Fahrzeug liegt die Latte hoch: meist liegt die vom Hersteller gesetzte Schwelle für einen Batterietausch beim Unterschreiten von 70 bis 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität. Sprich: In der Regel ist die getauschte Batterie nicht defekt, sondern bietet einfach nur eine reduzierte Leistung bzw. Kapazität. Es gibt jedoch Anwendungen, für die eine geringere Kapazität durchaus noch akzeptabel ist, so dass sich eine Zweitnutzung vor dem abschließenden Recycling anschließen kann. Eine verlängerte Nutzungsdauer steht auch für eine bessere Nachhaltigkeit.
Ein typisches Second-Life-Szenario ist der Einsatz in großen Stromspeichern zur Netzstabilisierung oder dem Abfedern von Lastspitzen. Beispiele sind unter anderem eine Versuchsanlage von Audi und EnBW beim Heizkraftwerk Heilbronn, oder ein Projekt von TransnetBW, das bis 2025 mit einer Kapazität von 250 MW in Betrieb gehen soll.
Hier könnten die Batterien sogar noch länger verbleiben als im Fahrzeug Durch ein intelligentes Betriebsmanagement wird die Batterie weit weniger gestresst als im Auto, denn das Laden sowie Entladen erfolgt langsamer als beim Einsatz im Fahrzeug, wo starke Beschleunigung, Rekuperation und Betrieb bei großer Hitze oder Frost der Zellchemie zusetzen. So erwarten die Experten eine Spanne von rund 10 bis 12 Jahren, bis die Batterie auch das Ende ihres zweiten Lebens erreicht hat.
Stromspeicher für Consumer
Das Konzept ist nicht nur für Großanlagen interessant, sondern – zumindest theoretisch – auch für das Consumersegment. Dort herrscht rege Nachfrage: Laut Statista hat sich in Deutschland die Zahl der Photovoltaikanlagen, die zusammen mit einem Stromspeicher betrieben werden, von 2022 auf 2023 auf rund 1,2 Mio.glatt verdoppelt. Statt teurer, fabrikneuer Akkus könnten auch hier Systeme mit „Second-Life-Batterien“ zum Einsatz kommen.
Die Frage, ob aus diesem theoretischen Konzept eine praktische Anwendung werden kann, entscheidet sich im Spannungsfeld von Ökonomie, Ökologie und Marktakzeptanz. Um dieses zu ergründen, hat EDAG gemeinsam mit Partnern das von der EU-geförderte Projekt „DigiPrime“ aufgesetzt, das sich ganz unterschiedlichen Herausforderungen widmet. Ein weiterer Aspekt war es dabei, geeignete Testmethoden zur zeit- und kosteneffizienten Charakterisierung der Batteriemodule (u.a. des State of Healths) und Prozesse zur Zerlegung und dem Handling von Second-Life-Modulen zu entwickeln und zu erproben.
So wurde unter anderem für Batteriesysteme eine Datenplattform entwickelt, die kontinuierliche Datenketten ermöglicht, digitale Dienste anbietet und die Vielzahl der Akteure in der Wertschöpfungskette vernetzt. Außerdem wurden Wege zur nachhaltigen Nutzung nicht nur der Batterien, sondern auch weiterer Komponenten aus dem Fahrzeug sowie anderer Materialien entwickelt, was sowohl der wirtschaftlichen Effizienz dient als auch den ökologischen Fußabdruck verbessert.
Technische Details
Da es unzählige verschiedene Varianten gibt, wie die Fahrzeugbatterien aufgebaut werden, und eine Zerlegung auf Zellebene oft nicht zerstörungsfrei möglich ist, entschied man sich für eine Wiederverwendung auf der Ebene von Modulen. Die Batteriemodule werden sowohl seriell als auch parallel so verschaltet, dass die gewünschte Kapazität mit einer Systemspannung von 48 V bereitgestellt werden kann. Zur Steuerung des DC-gekoppelten Speichersystems und als Schnittstelle zum Wechselrichter wurde eine Elektronikeinheit (BDU) entwickelt, die vorranging aus wiederverwendeten Automotive-Komponenten aufgebaut ist. Das Herzstück des Speichers ist dabei das EDAG- eigene Batteriemanagementsystem (BMS), das in der Lage ist, mit einer Vielzahl an Batteriemodulen in aktuellen E-Fahrzeugbatterien zu kommunizieren. So ist das Konzept nicht auf eine Modulvariante beschränkt.
Das Gehäusedesign verwendet zudem Teile des ursprünglichen Batteriegehäuses, im Rahmen des Projektes stammten diese aus einem Porsche Taycan. Zugleich konnten damit weitere Komponenten, wie etwa die Modulverschraubungen, Teile des Signalkabelbaums inklusive Stecker oder Busbars weitergenutzt werden. Zusätzliche ökologische Pluspunkte sammelt der Gehäusedeckel. Er besteht aus einem Laminat von gemahlener Glasfaser aus Rotorblättern von ausgedienten Windkraftanlagen (WKA). Das Cover aus Recyclingfaser bietet so viele Freiheiten im Design und vervollständigt die nachhaltige Anmutung des Speichers.
Nachhaltigkeit auf hohem Niveau
Rund 90 Prozent der Masse entfällt auf Reuse- und Recycling-Materialien, davon die Hälfte allein auf die Batteriemodule. Neumaterialien machen dementsprechend nur 10 Prozent der Gesamtmasse aus. Eine Bewertung der Nachhaltigkeit mittels Quick Life Cycle Assessment (Q-LCA) zeigt, dass der CO2-Fußabdruck dieses Solarspeichers in einer „cradle-to-gate“-Betrachtung um etwa 80 Prozent niedriger liegt als ein Referenzsystem, das vollständig aus Neuteilen aufgebaut ist.
Dieser deutlich reduzierte „CO2-Rucksack“ könnte ein starkes Argument in der Vermarktung darstellen, neben einem attraktiven Design. Natürlich spielt auch der Preis eine enorme Rolle, inwieweit solche Systeme wettbewerbsfähig sind. Mit dem Projekt „DigiPrime“ sind so die Grundlagen gelegt, im Spannungsfeld von Ökonomie, Ökologie und Marktakzeptanz zu bestehen.
Und das gilt nicht nur für Consumer-Anwendungen. EDAG hat mit den Heimspeichern umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Second-Life-Anwendungen gewonnen und darüber hinaus den Funktionsnachweis für das Nutzungskonzept erbracht. Mit diesem Know-how ist EDAG in der Lage, diese Prozesse in Kombination mit (teilautomatisierten) Test- und Demontagekonzepten kosteneffizient zu skalieren. Damit ist die Grundlage gelegt für die nächste Evolutionsstufe, nämlich industrie-taugliche Großspeicher im MWh-Bereich.
Für OEMs bietet die Second-Life-Nutzung darüber hinaus die Chance, ihre Batterien ein Jahrzehnt länger im Markt zu halten und so Zeit zu gewinnen, Recycling-Konzepte, -technologien und -kapazitäten weiterzuentwickeln bzw. auszubauen.
Dieses Stromspeicher-Konzept zeigt ebenso wie das selbst entwickelte Tool für das Quick Life Cycle Assessment (Q-LCA) das Engagement von EDAG für eine nachhaltige Entwicklung und Produktion. Wenn Sie Interesse am Projekt „DigiPrime“ haben oder weitere Ideen zum Thema Batteriesysteme und Nachhaltigkeit suchen, sprechen Sie mit Dr.-Ing. Andreas Viehmann, Head of Innovation Area Drive and Storage Technologies bei der EDAG Group. Oder laden Sie gleich hier unser Whitepaper „Batterien: Second Life statt End of Life“ herunter, das Ihnen weitere Details zur Entwicklung nachhaltiger Stromspeicher verrät.