Roboteranlagen sind aus unseren Produktionsanwendungen nicht mehr wegzudenken. Sie sorgen für Produktivität, Qualität und erledigen schwere und gefährliche Arbeitsaufgaben. Da die industriellen Robotersysteme mit hohem Risiko bewertet werden, sind Schutzkonzepte zumeist so gestaltet, dass Roboter und Mensch örtlich und/oder zeitlich voneinander getrennt arbeiten.
Eine sichere Sache für Mensch und Roboter
Bis auf das Anlernen und die Wartung, für die besondere Vorgaben gelten, korrespondiert der Mensch nicht direkt mit den Aktuatoren industrieller Robotersysteme. Zu beachten sind hierbei die Sicherheitsnormen EN ISO 10218-1 (Anforderungen an den Industrieroboter) und die EN ISO 10218-2 (Gestaltungsvorgaben und Anforderungen an das Robotersystem).
Wenn die Anwendung sicher geplant ist, ermöglichen inzwischen neue Technologien eine direkte Kollaboration des Roboters mit dem Menschen – die Mensch-Roboter-Kollaboration, kurz MRK. So lassen sich die Vorteile der Robotersysteme mit den menschlichen Fähigkeiten optimal kombinieren. Weiterhin sind mit MRK-Anwendungen neuartige Produktionskonzepte möglich. Damit übernehmen MRK-Anwendungen eine wichtige Rolle, um übergeordnete Fragestellungen zu beantworten, beispielsweise zum demographischen Wandel, zur optimierten Integration „leistungsreduzierter Mitarbeiter“ und zur Verbesserung der allgemeinen Arbeitsergonomie.
Grundprinzipien der Mensch-Roboter-Kollaboration
Die MRK-Applikationen basieren grundsätzlich auf Schutzprinzipien oder aus einer Kombination verschiedener Grundprinzipien. Diese sind:
- Sicherheitsgerichteter überwachter Halt – Der Roboter stoppt, wenn ein Mitarbeiter den gemeinsamen Arbeitsbereich betritt und fährt bei Bedarf weiter, wenn der Mitarbeiter den Bereich wieder verlassen hat.
- Handführung des Roboters – Die Roboterbewegung wird vom Mitarbeiter aktiv geführt.
- Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung – Der Kontakt zwischen dem Mitarbeiter und dem sich in der Bewegung befindlichen Roboter wird vom Robotersystem verhindert.
- Kraft- und Druckbegrenzung – Kontaktkräfte zwischen Mensch und Robotersystem sind möglich, werden aber auf ein ungefährliches Maß begrenzt.
Ein gemeinsames Merkmal aller MRK-Anwendungen ist, dass die Sicherheit präzise und integer über die gesamte Applikationsanwendung und unter Berücksichtigung aller funktionalen und produktionstechnischen Aspekte durchzuführen ist. Was allerdings bei konventionellen Systemen beispielsweise durch feste bauliche Trennung oder zusätzlichen Sicherheitskomponenten nachrüstbar ist, funktioniert bei MRK je nach Schutzprinzip nur eingeschränkt oder ist überhaupt nicht anwendbar.
Wenn das Prinzip Kraft- und Druckbegrenzung angewendet wird, ist eine MRK-gerechte Gestaltung bei der Anlagenentwicklung von Anfang an unerlässlich. Das beinhaltet folgende Aspekte:
- Auswahl eines angemessenen MRK-Systems
- sichere Gestaltung von Greifern und Werkzeugen
- Berücksichtigung der Teilebeschaffenheit (Geometrie und Masse)
- Arbeitsabläufe, Begrenzung von Arbeitsräumen und Geschwindigkeit
- eingesetzte Produktionstechnologien
Grundsätzlich gibt es keinen eigensicheren MRK-Roboter. Auch entsteht nur durch den Einsatz eines MRK-Roboters keine sichere MRK-Applikation. Wird zum Beispiel ein scharfes Skalpell oder eine spitze Nadel als „Roboterwerkzeug“ verwendet, wird jeder damit ausgestatteter MRK-Roboter Verletzungen verursachen können. Eine maßgebliche Größe zur Beurteilung der Sicherheit ist daher nicht nur die Kraft, sondern auch der Druck (Kraft/Wirkfläche), die das MRK-System im ungünstigsten Fall verursachen kann.
Somit bestimmen Werkzeug- und Teilegeometrien sehr stark die Vorgaben möglicher Verfahrgeschwindigkeiten und Leistungsvorgaben, beispielsweise das Drehmoment.
Grenzen der Mensch-Roboter-Kollaboration
Die Grenzen für die tolerierbaren Kräfte und Drücke sind für verschiedene Körperteile in der ISO/TS 15066 definiert. Eine Validierung der Kraft- und Druckvorgaben durch Messung mit einem konformen Messsystem ist zweifelsfrei notwendig.
Der rechtliche Rahmen für die MRK-Applikation ist die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Die relevanten Normen sind:
- EN 10218 Teil 1+2: Roboter und Robotersystem
- EN 12100: Sicherheit von Maschinen – Risikobeurteilung und Risikominderung
- EN 13849 Teil1+2: Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen
Eine noch nicht gelistete Norm, die als einzig internationales Regelwerk MRK-Anwendungen mit Kräften und Drücken beschreibt, ist die ISO/TS 15066 „Roboter und Robotikgeräte – Kollaborierende Roboter“.
Vielfach geraten MRK-Anwendungen an ihre Grenzen. MRK-Roboter sind erheblich leistungsreduziert. Geschwindigkeiten, Beschleunigungen, mögliche Kräfte und Momente sind nicht mit Standard-Industrierobotern gleichzusetzen. Durch sicherheitstechnische Anforderungen werden diese durch die Applikationen noch weiter reduziert. Damit werden im MRK-Betrieb sehr häufig die Taktzeitvorgaben nicht erfüllt.
Verschiedene Produktionsverfahren sind aufgrund von Traglast oder anderen Produktionsfaktoren, der Leistungsfähigkeit des Steuerungssystems und die funktionalen Fähigkeiten des MRK-Systems nicht möglich.
All dies haben die Safety-Experten der EDAG Production Solutions bei der Beurteilung einer MRK immer im Blick und können die verschiedenen Faktoren anhand von Simulationen abbilden und prüfen. Allerdings gibt es auch Applikationen, die sich nicht durch Simulation darstellen lassen und real getestet werden müssen. Hierfür haben wir unser MRK Labor in Böblingen.
Ihren speziellen Einsatz für einen MRK-Roboter können wir hier vortesten und Ihnen dann auch eine Empfehlung für den für diese Applikation besten Roboter am Markt geben oder eventuell stellen wir auch fest, dass eine MRK für diese Anwendung aus Sicherheitsgründen oder auf Grund der Machbarkeit nicht geeignet ist. Sie bei der lieferantenunabhängigen MRK-Roboterauswahl zu beraten und zu unterstützen ist ein weiterer Teilaspekt unseres Portfolios.
EDAG Production Solutions kann auf eine langjährige Erfahrung im Bereich Robotik und Maschinensicherheit bei MRK-Systemen zurückblicken. So sind wir nicht nur ein kompetenter Partner für unsere Kunden und Lieferanten von MRK-Robotersystemen, sondern unterstützen auch wissenschaftliche Projekte, wie aktuell die Rhein-Universität Bochum und bringen unser Know-how mit ein.
Hier wird aktuell in einem Roboterlabor anhand von vier verschiedenen MRK-Systemen der Einsatz der Mensch-Roboter-Kollaboration in der Montage, realitätsnahes Verhalten des virtuellen Abbildes, Einbindung bildverarbeitender Systeme oder Austaktung hybrider Montagesysteme getestet.
Sicherheit ist das oberste Ziel
Generell gilt es, wie bei jeder Zusammenarbeit, auch bei der MRK einige Spielregeln zu beachten, bevor ein MRK-fähiger Roboter angeschafft und implementiert werden sollte.
Zu unserem Angebot an Seminaren für Maschinensicherheit und Arbeitsschutz gelangen Sie hier.
Die Erfahrung in der Umsetzung von MRK-Applikationen setzen die Safety-Experten der EDAG Production Solutions durchgängig ein. Unabhängig davon, ob Sie nur eine Beratung im Hinblick auf eine MRK-Lösung benötigen, oder wir ein komplettes Projekt, inklusive der Definition von sicherheitstechnischen Anforderungen, Auswahl der Tools und Komponenten, Simulation bis hin zur Installation des finalen MRK-Roboters und Sicherheitsschulung wünschen, wir bringen in allen Bereichen die notwendige Erfahrung mit ein, die für solche – gerne auch internationale Projekte - notwendig ist.
Zudem muss das sichere Handling mit den Robotern gelernt werden. Mit unseren Sicherheitsseminaren qualifizieren und zertifizieren wir Mitarbeiter zu aktuellen Themen der Maschinensicherheit und des Arbeitsschutzes. Die Seminarleiter sind erfahrene Ingenieure, die zu absoluten Experten in ihrem Bereich zählen. Mit dem technischen Fortschritt verändern sich auch die Sicherheitsnormen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Ihre Mitarbeiter für ein rechtsicheres und kostenoptimiertes Arbeiten immer bestens geschult sind.
Mehr Informationen zum Leistungsspektrum von EDAG Production Solutions im Bereich der sicherheitstechnischen Dienstleistungen und dem Seminarangebot finden Sie auch auf unserer Website.
So gelingt die sichere Umsetzung der ersten MRK-Applikation
Für die Planung des Einsatzes einer MRK-Anwendung gehört neben dem fachlichen Know-How auch eine große Portion Erfahrung. Diese bringt unser Experte Ulrich Hochrein, Leiter Sicherheitstechnische Dienstleistungen neben seiner Begeisterung für MRK-Robotersysteme in jedem Fall mit. Er beantwortet Ihnen gerne alle Fragen rund um das Thema MRK.
Damit der Einstieg in Ihre MRK-Applikation gelingt, hat Ulrich Hochrein eine Checkliste „Zehn Irrtümer bei der Umsetzung der ersten MRK-Applikation und typische MRK-Projekterfahrungen“ zusammengestellt: