Mit branchenspezifischen Regelungen, wie der neuen EU-Altfahrzeugrichtlinie, sowie diversen Berichtspflichten werden immer mehr Unternehmen gezwungen, sich stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen. Auch der Druck entlang der Lieferkette wächst. Zugleich bietet eine Nachhaltigkeitsstrategie und die damit verbundene bessere Datenbasis die Chance, die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu verbessern.
Die Folgen des Klimawandels manifestieren sich immer stärker, beispielsweise in katastrophalen Dürren oder in „Jahrhunderthochwassern“ im Abstand von wenigen Jahren. Zwar wurde bereits 2015 in Paris ein weltweites Abkommen zur globalen Reduzierung des CO2-Ausstosses beschlossen, doch erst allmählich erkennt die Politik die Dringlichkeit der Aufgabe. In der EU wurde jüngst mit der Initiative „Fit for 55“ eine Kursverschärfung im Rahmen der EU-Dekarbonisierungsstrategie „Green Deal“ beschlossen, um den CO2-Ausstoß schneller zu mindern. Die Politik zielt jedoch nicht nur auf mehr Nachhaltigkeit. Die Programme sollen gleichzeitig dazu beitragen, die Digitalisierung voranzutreiben und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Aber auch abseits des Klimathemas arbeitet die EU schon seit vielen Jahren daran, die Wirtschaft in den Mitgliedsstaaten zu mehr Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit zu bewegen. So wurde beispielsweise vor 30 Jahren erstmals die Bewirtschaftung von Verpackungen und Verpackungsabfällen EU-weit einheitlich geregelt. Ein weiterer Schritt zur Reduzierung von Abfällen war die Verabschiedung der Altfahrzeugrichtlinie (Richtlinie 2000/53/EG), mit der zur Jahrtausendwende die Prinzipien der Verpackungsordnung auf einen anderen Wirtschaftsbereich übertragen wurden – und weitere sollten folgen.
Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft
Nach fast einem Vierteljahrhundert wurde nun auch die Altfahrzeugrichtlinie überarbeitet und mit der Richtlinie 2005/64/EG über Typgenehmigung für Kraftfahrzeuge hinsichtlich ihrer Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit und Verwertbarkeit zusammengeführt. Ähnlich wie in der überarbeiteten Batterie-Verordnung wird mit der Neufassung auch bei Altfahrzeugen der gesamte Lebenszyklus in den Blick genommen. Die Altfahrzugrichtlinie ist hierbei nur ein vorreitendes Beispiel, anhand derer die Anforderungen auch für andere Produkt-Gruppen greifbar werden.
Ziel ist ein ganzheitlicher Wertschöpfungskreislauf, der bei einem Produktdesign beginnt, das zirkuläre Prozesse unterstützt, ebenso werden Sammlung und Verwertung bzw. Wiederverwendung am Ende des Lebenszyklus behandelt. Über Recyclingquoten – sprich: festgelegte Mindestquote von recycelten Stoffen und Materialien in Neufahrzeugen – soll ein tragfähiger Business Case für die Verwertung der Altfahrzeuge sichergestellt werden.
So soll beispielsweise bereits bei der Typgenehmigung darauf geachtet werden, dass mindestens 85 Prozent der Masse „wiederverwendbar oder recyclingfähig“ und mindestens 95 Prozent „wiederverwendbar oder verwertbar“ sind (jeweils ohne Batterie). Außerdem ist ein Anteil von 25 Prozent Rezyklat beim Einsatz von Kunststoffen vorgeschrieben. Später sollen entsprechende Quoten für Stahl, Aluminium / -legierungen, Magnesium / -legierungen und seltene Erden folgen. Des Weiteren soll jedes Fahrzeug einen digitalen Kreislaufpass erhalten, der Informationen über das Entfernen und die Ersetzung von Teilen, Bauteilen und Werkstoffen zur Verfügung stellt.
Die Fahrzeughersteller werden verpflichtet, eine Kreislaufwirtschaftsstrategie für jeden genehmigten Autotyp zu erstellen. Zusätzlich sollen sie sich gegebenenfalls um die Einrichtung von Sammelsysteme und -stellen kümmern bzw. sich finanziell daran beteiligen.
Daten und eine lückenlose Dokumentation bilden das Fundament
Anhand der sehr starken Dokumentations- und Nachweispflichten der Automobilbranche, lassen sich deren Anforderungen auch auf weitere Produkt-Gruppen übertragen:
- Berechnung der Recyclingquote;
- Dokumentation der Demontage Produkt
- Materialcontrolling: Tracking und Dokumentation von Materialdaten und Rezyklaten;
- Material-Compliance;
- Erstellung einer Umweltverträglichkeitsanalyse;
- Erstellung/Berechnung von CO2-Prognosen, z.B. Material- oder Prozessvergleiche;
- Erfassung und Typisierung von Anforderungen bis hin zu Anforderungsmanagement und Support;
- Lieferantenmanagement: Anfrage von Daten sowie Support und Systempflege;
- Änderungsmanagement in der Produktentwicklung: Dokumentation des entwicklungsseitigen Produktentstehungsprozesses;
- Produkt-Management – Organisation, Kommunikation und Organisatin der Produktentwicklung
Umfassende Datenbasis, über das Produkt hinaus, benötigt
Die Altfahrzeugrichtlinie ist nur ein branchenspezifisches Beispiel für die Transformation der Industrie hin zu mehr Umwelt- und Klimaverträglichkeit. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Anforderungen, mit denen sich Industrie-Unternehmen aller Art inzwischen befassen müssen.
Zu nennen sind beispielsweise:
- Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagementsysteme: Einhaltung von ISO- und EMAS-Anforderungen, Grundlage für Zertifizierung, Audits und Analysen;
- Lieferkette / Lieferantenmanagement: Anfrage von Daten sowie Support und Systempflege;
- Umweltschutz: Emissionen und Imissionen erfassen und steuern, Gefährdungsbeurteilungen, Risiko-Analysen etc.;
- Nachhaltigkeitsdokumentation und Zertifizierung: Erstellung der unternehmerischen Unterlagen zur Dokumentation von Nachhaltigkeitsaktivitäten bis zur Aufbereitung und Einreichung zur Zertifizierung nach verschiedenen Vorgaben;
Daten zu verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen verlangen inzwischen auch Investoren und Kreditgeber, die ihrerseits zur Berichterstattung über „nachhaltige“ Investments verpflichtet sind. Gleiches gilt für die Auftraggeber von Zulieferern, die valide Daten aus der Lieferkette benötigen. Zum einen für ihre eigenen Berichtspflichten, zum anderen zur Steuerung der unternehmenseigenen Dekarbonisierungsstrategien. Wer diese Daten nicht liefern kann, muss damit rechnen, Aufträge zu verlieren bzw. in Zukunft gar nicht mehr für Neuaufträge in Betracht zu kommen.
Und nicht zuletzt stellen auch Konsumenten Fragen zu Umwelt- und Klimafreundlichkeit der Produkte, zur Einhaltung von Menschenrechten und sozialen Standards bei der Produktion und der Gewinnung von Rohstoffen, zu Nachhaltigkeit und Diversität, so dass Unternehmenskommunikation und Marketing schnell auf entsprechende Kennzahlen Zugriff benötigen.
Positive Effekte nicht übersehen
Den Nachweis über die erreichten Fortschritte und das Einhalten gesetzlicher Vorgaben führen Unternehmen über die erwähnten Berichtspflichten. Das könnte man als belastende, womöglich unnötige Bürokratie abtun. Doch damit verbunden ist noch ein zweiter Effekt: Unternehmen werden dazu gezwungen, die dafür benötigten Daten zu erfassen, egal ob sie bei der Transformation aktiv vorangehen oder eher zu den Nachzüglern zählen. Der Gedanke dahinter: Wenn die Datenbasis schon mal zur Verfügung steht, ist die Hürde, den nächsten Schritt zu gehen – den der aktiven Steuerung – wesentlich niedriger.
So gilt es nun also zum einen, bereits vorhandene Daten zugänglich zu machen, die oft nur in abteilungsspezifischen Datensilos zu finden sind, sowie fehlende Datenpunkte zu ergänzen. Und zum anderen Prozesse und Systeme zu schaffen, die in der Lage sind, den Informationsfluss im Unternehmen entsprechend der Anforderungen der Nachhaltigkeitsstrategie zu erweitern.
Unternehmen sollten diese Herausforderung jedoch nicht nur als Belastung sehen – sondern auch als Chance. Denn die ausgefeiltere Datenbasis eröffnet zusätzliche Möglichkeiten zur Unternehmenssteuerung. Der Vergleich von Alternativen – im Einkauf, in der Produktgestaltung, im Produktionsprozess – liefert fundierte Entscheidungsgrundlagen nicht nur in Bezug auf Klimafreundlichkeit, sondern auch auf Wirtschaftlichkeit. So machen sich die Investitionen in eine bessere Daten-Infrastruktur auf Dauer bezahlt.
Bewährte Prozesse und hilfreiche Tools
Doch in vielen Fällen fehlt es sowohl an der Erfahrung als auch an der personellen Ausstattung, eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie auszuarbeiten, geschweige denn umzusetzen. Die fehlende Datenbasis auf der einen Seite, der Fachkräftemangel auf der anderen Seite verschärfen das Problem.
In dieser Situation sollten sich Unternehmensverantwortliche nach geeigneten Partnern umsehen, die mit Erfahrung und eigenen personellen Ressourcen die vorhandenen Lücken füllen können. Ein solcher Partner ist der Industriedienstleister EDAG, der bereits zahlreiche Projekte rund um das Thema Nachhaltigkeit abgewickelt hat. Im Rahmen dieser Tätigkeiten wurden auch zahlreiche Best-Practice-Prozesse sowie eigene Werkzeuge und Anwendungen entwickelt, die ein effiziente Bewältigung der Aufgaben rund um die „grüne Transformation“ von Industrieunternehmen ermöglichen.
Dazu zählt beispielsweise das „Quick Life Cycle Assesment“ (QLCA). Dieses Tool-gestützte Verfahren ermöglicht es Entwicklern bereits in einer frühen Phase Material- und Konzeptentscheidungen zu treffen, die sich positiv auf den CO2-Footprint eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus auswirken. Für eine umfassende Lifecycle-Analyse wurden ebenfalls standardisierte Prozesse entwickelt, die ein effizientes Vorgehen ermöglichen.
Darüber hinaus hat EDAG die nötige Expertise aus dem Aufbau und der Optimierung der Produktion, um die Dateninfrastruktur für die zusätzlichen Aufgaben aus den Nachhaltigkeitsanforderungen fit zu machen und so der Administration die Datenbasis zu liefern, die alle Aspekte abdeckt. Ebenso bietet der Dienstleister umfangreiche Coaching- und Trainingsangebote als Beitrag zum Change Management eines Nachhaltigkeitsprojektes.
Fazit
Das Thema Nachhaltigkeit ist eine Herausforderung für Unternehmen, die von verschiedenen Seiten unter Druck gesetzt werden. Dennoch ist das Thema auch eine wirtschaftliche Chance, denn eine bessere Datenbasis ermöglich es, Ökologie und Ökonomie zu verbinden. Nur wer Alternativen kennt und mit Zahlen unterlegen kann, ist in der Lage, die beste unternehmerische Entscheidung zu treffen. Finanzanalysen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass nachhaltigere Unternehmen krisenresistenter und auf Dauer wirtschaftlich erfolgreicher sind.
Die Umgestaltung von Unternehmensprozessen im Sinne der Nachhaltigkeit ist jedoch kein einfaches Unterfangen. Zum einen gilt es, überhaupt eine aussagekräftige Datenbasis zu schaffen. Dann gilt es, Alternativen für komplexe Prozesse, mit ihren Abhängigkeiten und Wechselwirkungen, zu identifizieren und zu vergleichen. Diese Aufgabe ist ohne externe Unterstützung kaum zu bewältigen, gemessen am benötigten Know-how und dem personellen Aufwand.
Falls auch Sie ein Nachhaltigkeitsprojekt planen und einen Partner mit breiter Expertise und langjähriger Erfahrung suchen, sprechen Sie mit Isabel Knigge, Team Leader Prozess- und Produktdatenmanagement, die gerne Ihre Fragen beantwortet. Oder laden Sie sich unsere Whitepaper „Nachhaltigkeits-Check in 20 Fragen“ herunter, das Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Aspekte einer Nachhaltigkeitsstrategie und die nötigen ersten Schritte vermittelt.