EDAG Engineering und das Fraunhofer IMWS haben mit weiteren Verbundpartnern im Rahmen eines Forschungsprojekts gemeinsam einen Kindersitz geschaffen, der aus biobasierten und naturfaserverstärkten Kunststoffen (Bio-NFK) besteht. Ziel dieses Projekts ist es, nachhaltige Leichtbauteile zu entwickeln, die in der Serienproduktion von Fahrzeugen wirtschaftlich hergestellt werden können.
Die Anforderungen an Fahrzeugteile ändern sich rapide, besonders im Hinblick auf Elektromobilität und urbane Mobilität. Fahrzeugteile müssen heute nicht nur funktional, sondern auch nachhaltig sein. Die Lösung liegt in der Kombination von Materialien, die für spezifische Anwendungen entwickelt wurden.
Hier kommt der Multimaterialaufbau ins Spiel, der nicht nur funktional, sondern auch wirtschaftlich ist. Biopolymere und Naturfasern bieten neue Möglichkeiten für Anwendungen, die gemessen an Festigkeit und Funktionalität traditionell Glas- oder Karbonfasern vorbehalten waren, aber den CO2-Fußabdruck entscheidend reduzieren können.
Dementsprechend wächst auch im Automobilsektor die Bedeutung naturbasierter Materialien in der Bauteilentwicklung stärker zu berücksichtigen, da sie ressourcenschonende und recyclingfähige Produkte ermöglichen. Im Fokus des Forschungsprojekts „RegScha“ („Regenerative Sitzschale“) stand die innovative Kombination aus biobasierten und naturfaserverstärkten Kunststoffen, die in einem hybriden und recyclingorientierten Produktdesign für High-Performance-Produkte, wie etwa Sitzstrukturen im Fahrzeugbau, zum Einsatz kommen sollten.
Materialien und Technologien
Der Stand der Technik bei faserverstärkten Thermoplasten wird von Glasfaserverbundstoffen dominiert. Organobleche, in erster Linie bestehend aus glasfaserverstärktem Polypropylen oder Polyamiden, sind in der Luftfahrt und Automobilindustrie weit verbreitet. Naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) hingegen finden vor allem im Fahrzeuginterieur Anwendung, wo sie durch ihr leichtes Gewicht, ihre ökologische Verträglichkeit und ihre Kosteneffizienz überzeugen. Dennoch ist es erforderlich, die Festigkeit und Steifigkeit biobasierter und naturfaserverstärkter Kunststoffe weiter zu verbessern, damit sie weitere technischen Anwendungsfelder erobern können.
Innerhalb der Forschungsarbeiten wurden spezielle Bio-NFK-UD-Tapes entwickelt, die aus Flachsfasern und biobasierten Polyamiden bestehen. Diese Materialien zeichnen sich besonders durch ihre spezifische Steifigkeit aus und sind konkurrenzfähig gegenüber konventionellen GFK-Halbzeugen, also solchen aus glasfaserverstärkten Kunststoffen. Allerdings sind Naturfaser-Halbzeuge aufgrund der noch nicht ausgereiften Herstellungstechnologien teurer als konventionelle Materialien, zudem sind die Qualitätsschwankungen höher.
Design und Produktion
Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung von Bauteilen aus Bio-NFK besteht in der Optimierung der Gestaltungsprinzipien. Im Rahmen des Projekts wurde ein Design für die Sitzschale eines Kindersitzes entwickelt, das sowohl funktional als auch ästhetisch ansprechend ist. Das Design basierte auf einer iterativen Zusammenarbeit der Projektpartner, wobei die Geometrie und die Materialauswahl speziell auf die Anforderungen der Fertigung und Nutzung abgestimmt wurden. Der Kindersitz sollte leicht und gleichzeitig steif genug sein, um die notwendigen Sicherheitsstandards zu erfüllen.
Für die strukturelle Auslegung diente ein marktüblicher Kindersitz als Referenz. Durch Topologie-Optimierung wurden die Lastpfade bestimmt und darauf aufbauend die Materialdaten für den Bio-NFK-Einleger und den holzfasermodifizierten Biokunststoff integriert. Eine Variantenanalyse ergab, dass eine Kombination aus acht Lagen UD-Tapes und einer spezifischen Faserorientierung das optimale Verhältnis von Steifigkeit und Gewicht bot.
Mechanische Kennwerte der untersuchten Bio-NFK aus biobasierten Polyamiden und Flachsfasern (© Fraunhofer IMWS)
Innovativer Hybridspritzguss
Die Kombination von Thermoplasten und Naturfasern bietet große Vorteile in Bezug auf Recyclingfähigkeit, Automatisierung und Integration von Funktionselementen. Durch die hybride Verfahrenskombination aus Thermoformen und Spritzgießen können Bio-NFK-Materialien effizient verarbeitet werden. Für die Fertigung des Kindersitzes wurden Bio-NFK-Einleger genutzt, die durch einen Roboter in das Spritzgusswerkzeug transferiert und dort weiterverarbeitet wurden.
Das eigens dafür entwickelte Roboter-Greifer-Konzept ermöglichte eine präzise Handhabung der Einleger sowohl im kalten als auch im aufgeschmolzenen Zustand. Mit diesem Ansatz konnte ein hybrid gefertigter Kindersitz-Demonstrator realisiert werden, der aus Bio-NFK-Spritzgussmaterial und Bio-NFK-UD-Tapes besteht.
Mittels Hybridspritzguss hergestellte Kindersitz-Demonstratoren aus Bio-NFK-Spritzgussmaterial und Bio-NFK-Tape-Laminaten (© Fraunhofer IMWS)
Fazit
Die Forschungsergebnisse zeigen deutlich, dass eine Kombination aus Bio-NFK und Metall das Potenzial hat, nachhaltige und ressourcenschonende Leichtbauteile herzustellen. In zukünftigen Arbeiten soll daher das Konzept des „Bio-Hybrids“ weiter untersucht werden. Ziel ist es, einen Kindersitz zu entwickeln, der einen metallischen Einleger mit Bio-NFK-Materialien kombiniert. Dieser Ansatz verspricht eine bessere Ökobilanz und eine deutlich höhere Nachhaltigkeit als herkömmliche Bauteile.
Haben auch Sie Pläne für nachhaltige Baugruppen in Leichtbauweise oder wollen sich über mögliche Anwendungen in diesem Bereich informieren? Dann sprechen Sie mit unserem Experten Dipl.-Ing. Michael Begert, Innovationsmanager bei EDAG Engineering. Oder laden Sie sich gleich hier das Whitepaper „Wirtschaftlicher Leichtbau mit Biokunststoffen und Naturfasern“ herunter. Es liefert Ihnen detaillierte Einblicke in die Materialentwicklung, den Fertigungsprozess und die strukturellen Herausforderungen dieses Leichtbau-Projekts.