Jedes Jahr werden Neufahrzeuge in aufwändigen Crashtests auf Sicherheit untersucht. Dabei spielt auch das Verletzungsrisiko für Fußgänger und Radfahrer eine bedeutende Rolle. Der Aufwand zur Entwicklung einer „Fußgänger-kompatiblen“ Fahrzeugfront ist enorm. Doch es geht auch wesentlich effizienter. Denn das Tool KI-Crash setzt auf Künstliche Intelligenz statt auf geballte Rechenpower.
Automobilverbände wie dem ADAC und anderen ist es zu verdanken, dass die Folgen von Pkw-Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern heute nicht mehr so gravierend sind wie noch vor 25 Jahren. Mit Crashtest-Szenarien, bei denen unter anderem der Aufprall von Erwachsenen und Kindern auf der Motorhaube simuliert wird, lenkten sie die Aufmerksamkeit auf deren Belange. In der Folge reagierte auch der Gesetzgeber, so dass die Fahrzeuge „Fußgänger-kompatibler“ wurden und deren Verletzungen vermieden werden oder zumindest nicht mehr so schwer ausfallen.
Sicherheitsrelevante Fahrzeugfront
Fahrzeughersteller können es sich daher nicht leisten, den Fußgängerschutz nicht ernst zu nehmen, denn sonst drohen Probleme bei der Homologation (Serienzulassung) durch die zuständigen Behörden. Und auch bei Crashtests privater Institutionen werden solche Anbieter abgestraft, denn ihnen bleibt die Bestnote von fünf Sternen bei Verbraucherschutztests nach Euro-NCAP-Maßstäben verwehrt. Dabei sind solche Testergebnisse, wie sie beispielsweise der ADAC jährlich publiziert, ein wichtiges Verkaufsargument.
Sowohl bei den Tests zum Kopfaufprall sowie zum Beckenanprall spielt die Motorhaube eine entscheidende Rolle. Faktoren wie Deformationsvermögen oder energieabsorbierende Strukturen bestimmen darüber, wie hoch das Verletzungsrisiko beim Auftreffen eines Körpers ist. Damit nicht am Ende beim Nachweis der Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben plötzlich unliebsame Überraschungen auftreten, wird bereits in einer frühen Phase der Pkw-Entwicklung die Fußgänger-Kompatibilität der Fahrzeugfront analysiert.
Hoher Zeit- und Kostenaufwand
Traditionell erfolgt die Ermittlung des Verletzungsrisikos über Hardware-Versuche oder mittels der Finite-Elemente-Methode (FEM), bei der simuliert wird, wie sich Lasten, Kräfte und Randbedingungen auf die Fahrzeugstruktur und den aufprallenden Körper auswirken. Um die definierten Aufprallpunkte nur einer Fahrzeugfront zu ermitteln, müssen allein für einen Geometrie-/Entwicklungsstand zwischen 200 und 600 FEM-Simulationen durchgerechnet werden. Datenvorbereitung, Berechnung in einem Hochleistungs-Rechenzentrum (High Performance Computing, HPC), Validierung der Ergebnisse und eventuelle Neuberechnung benötigen erfahrungsgemäß etwa vier bis sechs Wochen. Dazu fallen hohe Kosten für die genutzte Software und Rechenressourcen an.
Ein weiteres Problem: In dieser Zeit schreitet die Entwicklung des Fahrzeugs ungebremst voran. Sollte sich bei der FEM-Analyse herausstellen, dass die Frontpartie den Sicherheitsanforderungen nicht gerecht wird, muss die Entwicklung ein Stück weit zurückgedreht werden – wertvolle Arbeitszeit ist damit verloren bzw. es sind zusätzliche Anstrengungen nötig, um die festgelegten Zeitpläne einzuhalten.
Schneller und effizienter mit KI
Bei EDAG hat man daher nach Wegen gesucht, wie der Entwicklungsprozess stringenter und kostengünstiger gestaltet werden kann. Das Ergebnis ist „KI-Crash“, ein Tool auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI), das Ergebnisse nicht erst nach Wochen, sondern innerhalb von ein bis zwei Tagen liefert. Da es statt auf geballte Rechenpower auf die Datenverarbeitung mittels eines neuronalen Netzes setzt, fallen auch geringere Lizenz- und Nutzungskosten bei Software und Serverkapazitäten an. Die Analyse benötigt keinen Rechenzentrums-Zugang mehr, sondern lässt sich beispielsweise auf einer mobilen Workstation durchführen.
Ein weiterer Vorteil: Statt sich auf die Rasterung zu beschränken, die im Rahmen der Homologation vorgegeben ist, kann KI-Crash eine wesentlich feinere Auflösung realisieren. Damit ist ausgeschlossen, dass es unentdeckte Problembereiche gibt, wo ein höheres Verletzungsrisiko vorliegt und möglicherweise beim Crashtest unerwartet schlechte Ergebnisse auftreten.
Breite Anwendbarkeit
Kritiker könnten nun einwenden, die FEM-Methode basiere auf Mathematik und Physik und sei damit exakter als die neuronale Blackbox, die im Wesentlichen den Erfahrungsschatz eines langjährigen Entwicklungsingenieurs widerspiegelt. Doch bei EDAG ist man sich sicher, dass die Ergebnisse ausreichend valide sind und scheut daher keinen Vergleich. Fahrzeugentwickler, die sich für KI-Crash interessieren, können mit EDAG einen Testlauf vereinbaren, um ihren vorliegenden FEM-Berechnungen die Ergebnisse der Künstlichen Intelligenz gegenüberzustellen.
Das neuronale Netz, das KI-Crash zugrunde liegt, entstammt eigentlich der Bildverarbeitung, ist aber um eine Bewertung der Physik erweitert. Diese Kombination eröffnet breite Anwendungsmöglichkeiten. Mittels dieses Frameworks lassen sich auch andere Fragestellungen im Bereich der 3D-Freiform-Geometrie effizient beantworten, wie etwa beim Insassenschutz, wie er im US-amerikanischen Verbraucherschutz gefordert ist, oder bei der Frage nach der Stabilität von Flächen, wie dem Autodach oder der Motorhaube.
Wo werden Sie bei der Fahrzeug-Entwicklung durch langwierige, teure FEM-Prozesse ausgebremst? Diskutieren Sie Ihre Anforderungen mit Friedemann Voit, Head of CAE & Safety in der EDAG Group und Richard Kordaß, Projektleiter, Competence Center Innovation. Oder laden Sie gleich hier unser Whitepaper „Mit Köpfchen zu Fünf-Sterne-Tests“ herunter. Hier finden Sie weitere Details zur Funktionsweise von „KI-Crash“ und den erzielbaren Kostenvorteilen.