Die Automobilbranche konzentriert sich bei PKW derzeit auf rein batterie-elektrische Fahrzeuge. Gerade auf der Langstrecke ist das immer noch mit Nachteilen verbunden, wie dem hohen Gewicht der Akkus oder den langen Ladezeiten. Eine interessante Alternative könnte der Mischbetrieb von Akkus und Brennstoffzelle bieten. EDAG hat dafür ein hybrides Speichersystem entwickelt, das sich nach Bedarf konfigurieren lässt.
Der Bericht „MiD – Mobilität in Deutschland“ des Bundesverkehrsministeriums [https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/mobilitaet-in-deutschland.html] hat sich 2017 unter anderem mit der Frage befasst, auf welchen Strecken der PKW zum Einsatz kommt. Rund 60 Prozent aller Fahrten entfallen auf Arbeit und Einkauf. Dabei sind kürzere Strecken die Regel. Drei Viertel aller Fahrten gehen nicht weiter als 15 Kilometer, weitere 10 Prozent liegen zwischen 15 und 25 Kilometern. Die Hälfte aller gefahrenen Kilometer wird auf Strecken bis maximal 35 Kilometer zurückgelegt, fast 75 Prozent der gesamten Fahrleistung findet im Bereich bis 100 km statt.
Solche Strecken lassen sich problemlos mit rein batterieelektrischen PKW (BEV) zurücklegen. Doch was ist mit Urlaubsfahrten, Besuchen bei weit entfernten Verwandten oder ähnlichem, wo Distanzen weitab der Durchschnittszahlen überwunden werden müssen? Hier zeigt sich bei Elektroautos ein Handicap. Höhere Reichweiten werden mit einem deutlichen Gewichtszuwachs aufgrund der schweren Akkus erkauft. Wenn das Fahrtziel nicht ohne Nachladen erreicht werden kann, ist ein mehr oder minder langer Aufenthalt nötig. Gerade bei Autobahnfahrten summieren sich aufgrund der erhöhten Reisegeschwindigkeit schon ab 600 km die Ladezeiten auf über eine Stunde an Schnellladepunkten. Auch wenn deren Zahl in den vergangenen 12 Monaten um 45 Prozent gestiegen ist [https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/E-Mobilitaet/start.html], sind diese noch immer deutlich in der Minderzahl – fünf von sechs Ladepunkten stellen die Geduld deutlich stärker auf die Probe. Zusätzlich muss ein Ladepunkt am Ankunftsort gefunden werden.
Vorteile des Hybridantriebs: Batterie trifft Brennstoffzelle
In den Anfangstagen der Elektromobilität, als an Akkukapazitäten für Fahrten über 200 km noch nicht zu denken war, behalfen sich die Hersteller mit „Range Extendern“ – hybride Antriebssysteme, die mittels fossiler Brennstoffe die Reichweite verlängerten. So konnte der Großteil der zurückgelegten Fahrten mittels der zu Hause geladenen Energie elektrisch bewältiget werden. Längere Distanzen ließen sich relativ zügig mit dem Range Extender und gelegentlichem, schnellem Tanken überwinden.
Im Rahmen der Bemühungen, in absehbarer Zeit komplett aus der Nutzung fossiler Brennstoffe auszusteigen, bekommt die Substitution von Benzin und Diesel durch Wasserstoff größere Aufmerksamkeit, denn Fahrzeuge mit Brennstoffzelle (Fuel Cell Electric Vehicle, FCEV) lassen sich schnell und bequem betanken – wenn man denn eine H2-Tankstelle findet. Angesichts der immer noch verbreiteten „Reichweitenangst“, könnten Elektrofahrzeuge mit hybrider Energieversorgung einen Mittelweg zwischen BEV und FCEV bieten.
Ein solches Konzept verbindet die Vorteile der beiden Energiequellen – Akku bzw. Brennstoffzelle – in unterschiedlichen Einsatzszenarien. Die Batterie kann bequem zu Hause oder am Arbeitsplatz geladen werden. Es müssen also keine besonderen Ladepunkte angesteuert werden. Bei längeren Strecken können Wasserstoff-Tankstellen an den Autobahnen genutzt werden, der Tankvorgang selbst ist mit dem des Verbrenners vergleichbar.
Flexibles Speichersystem für individuelle Anforderungen
Wie ein entsprechender Speicher konzipiert werden müsste, wurde gemeinsam von EDAG und Hexagon Purus erforscht. Das Forschungsprojekt H2Hybat wurde vom Land Hessen unter der Projektnummer 842/20-02 finanziell unterstützt. Das Ziel war ein plattformneutrales Hybridspeichersystem, das für den Einbau in den Unterboden des Fahrzeugs geeignet ist. Dieses bietet Platz für zehn Module, wahlweise Wasserstoffspeicher- und Akku-Module.
Da das Nutzungsverhalten individuell stark unterschiedlich ist, eröffnet H2Hybat die Möglichkeit, den jeweiligen Energieträger möglichst frei zu wählen. Bei der Fahrzeugbestellung kann das Verhältnis von H2-Tanks zu Akku-Modulen konfiguriert und damit dem jeweiligen Fahrprofil angepasst werden. Wer beispielsweise in der Regel weniger als 100 km pro Tag mit dem PKW unterwegs ist, kann sich auf zwei Batterie-Module beschränken, die zusammen mit dem immer verbauten Pufferspeicher eine elektrische Reichweite von mehr als 120 km ermöglichen.
Die verbliebenen acht Modulplätze werden dann mit Wasserstofftanks bestückt, die über die Brennstoffzelle eine Reichweite von über 470 km erzielen und so längere Fahrten ohne Nachtanken ermöglichen. In dieser Konfiguration wird eine Gesamtreichweite von über 600 km erreicht, bei zehn H2-Modulen kann diese auf mehr als 660 km erweitert werden, bei der Aufteilung auf je fünf Batterie- und Wasserstoffmodule sind es noch gut 500 km, davon mehr als 220 km batterie-elektrisch.
Herausforderungen und Lösungen im Hybrid-Speicherkonzept
Die Speichermodule sind als in sich geschlossene Einheit konzipiert, die allen äußeren Belastungen standhält. Sie bestehen aus einer käfigartigen Struktur aus Stahlprofilen, die den H2-Tank von allen Seiten umgeben. So ist stets sichergestellt, dass der Tank von allen Seiten Schutz erfährt. Neben den Speichern sind auch die wichtigsten Funktionselemente wie Sensoren und Steuer- bzw. Ventilsysteme und das Rohrleitungssystem enthalten.
Bei der Konzeption der Tankmodule spielt nach ECE R134 insbesondere die Absicherung durch entsprechende Ventile eine entscheidende Rolle. Verpflichtend sind Temperature Pressure Relief Device (TPRD), das Excess Flow Valve (EFV) sowie ein manuelles Ventil. Aufgrund der hohen zu erwartenden Kosten sowie des Bauraumbedarfs wurde festgelegt, dass das Zusammenlegen von Tanks zu bevorzugen ist. Entsprechend bedient je Modul nur ein Ventil zwei bzw. drei Tanks. Ein solches Konzept bedarf allerdings einer Anpassung der derzeitigen Regulierung. In den entsprechenden Gremien wird diese neue technische Möglichkeit derzeit intensiv diskutiert. Eine entsprechende Änderung ist zu erwarten; sie wird auch von Seiten der Automobilindustrie auf breiter Front unterstützt.
Eine weitere Maßnahme zur Gewährleistung der Sicherheit des Tanksystems sind beispielsweise eine steife Metallplatte im Boden, die die Tanks vor äußeren Einflüssen, wie dem Überfahren eines Pollers, schützt. Diese Platte überlappt geringfügig mit dem Nachbarmodul, sodass die Abdichtung gewährleistet ist. Auch wurde eine zusätzliche Brandschutzbarriere aus einem glasfaserverstärkten Kunststoff mit Blähgraphitbeschichtung vorgesehen. Im Falle eines Brandes expandiert der Graphit und bildet eine isolierende Schutzschicht.
Crash-Sicherheit: Schutz bei Seitenaufprall
Besonders hohe Anforderungen muss zudem der Crash-Schutz erfüllen. Geprüft wurde neben dem Full Frontal Crash auch der Small Overlap. Als herausfordernd für batterieelektrische Fahrzeuge gilt der Side-Pole-Crash, der in der Regel mit 32 km/h durchgeführt wird. Auch die Wasserstofftanks müssen dafür besonders gut geschützt sein, da die Normfälle nicht alle tatsächlich auftretenden Schäden berücksichtigen können.
Aus diesem Grund wurde ein zusätzliches Sicherheitskonzept realisiert, das bei erhöhten Belastungen im Seitenaufprall aktiviert wird. Die Speichermodule weisen im Bereich der Anbindung an den Schweller eine schiefe Ebene auf, über die das Modul im Falle eines über die Normfälle hinausgehenden Crashs aus dem Lastpfad geschoben wird, so dass der Tank nur geringe Belastungen erfährt. Dieser ist durch die umgebenden Profile geschützt und wird nach unten aus dem Speicher bewegt. Haltegurte stellen sicher, dass der Tank mit dem Fahrzeug verbunden bleibt.
EDAG's Innovationsforschung in der Elektromobilität
Das mechanische Sicherheitskonzept des H2Hybat-Projektes setzt auf das skalierbare Batteriegehäuse SCALEbat auf, das Automobilunternehmen und Start-Ups bei der Entwicklung flexibler E-Fahrzeug-Plattformen unterstützen soll. SCALEbat wiederum wurde im Rahmen von SCALEbase entwickelt, einer skalierbaren Bodengruppe für E-Autos der Mittelklasse und Oberklasse. Sie bietet eine ideale Strukturintegration von Batteriesystemen, die alle Crash-Anforderungen erfüllt.
Das H2Hybat-Konzept ist zwar zunächst für Fahrzeuge der SUV-Klasse konzipiert worden, kann prinzipiell aber auch auf leichte Nutzfahrzeuge übertragen werden. Auch in diesem Bereich hat EDAG bereits unter dem Namen „FlexHybat“ ein Forschungsprojekt gestartet, das unter anderem der großen Breite von Nutzlasten und Fahrzeugstrukturen Rechnung trägt. Hier zeigen sich große Varianzen bei Rahmenhöhen und -querschnitten, aber auch bei den Lastpfadverläufen.
So fügt sich H2Hybat in die breite Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der EDAG-Gruppe ein, die Innovationen in der Elektromobilität sowohl auf batterie-elektrischer wie auf Wasserstoff-Basis vorantreibt.
Wenn Sie mehr über die Services und Angebote von EDAG in diesem Fachgebiet erfahren wollen, sprechen Sie mit Dr.-Ing. Stefan Caba, Leiter des Innovationsfeldes Nachhaltige Fahrzeugentwicklung bei EDAG Engineering. Weitere Details zum Projekt H2Hybat erfahren Sie in unserem Whitepaper „H2Hybat: Hybridspeichersystem für Wasserstoff und Batterien“. Laden Sie es gleich hier herunter!