Der Erfolg des Elektroautos hängt an der Frage, ob genügend Lademöglichkeiten geschaffen werden können. Noch mehr Ladesäulen, noch mehr Schnellladepunkte sollen die Kommunen schaffen. Dabei muss der Ansatz, die Batterien immer schneller zu füllen, nicht die einzige Lösung zu sein. Die Alternative lautet, bei mehr Gelegenheiten zu „laden“ – und das mit minimalem Aufwand, nämlich kabellos, also induktives Laden. EDAG hat dafür eine Lösung entwickelt, die dem induktiven Laden von Elektroautos zu mehr Schwung verhelfen wird.
Wie weit reicht die Akkuladung noch? Das ist für Fahrer von batterie-elektrischen Fahrzeugen (BEV) eine die entscheidende Frage, und die nächsten folgen sogleich: Wo kann ich die Batterien wieder laden? Und wie lange wird das dauern? Denn die öffentliche Lade-Infrastruktur ist ungleich verteilt, von einer echten Flächendeckung ist Deutschland noch weit entfernt, das gilt noch mehr für die europäischen Nachbarn. Es müssen also schnell mehr Gelegenheiten geschaffen werden, um die Akkus wieder aufzufüllen.
Doch das müssen nicht zwingend die üblichen Ladesäulen sein. Bei Lkw und Omnibussen gibt es Versuche, die Reichweite mit der Hilfe von Oberleitungen zu verlängern. Für die Familienlimousine oder den Kastenwagen für Handwerker kommt ein Stromabnehmer auf dem Dach nicht in Frage. Laden ohne Stecker ist für solche Fahrzeuge trotzdem möglich: per Induktion, also kabelloses Laden von Elektroautos.
Induktives Laden: Infrastruktur
Beim induktiven Laden wird eine Sendespule in die Straße eingelassen und eine Empfängerspule im Wagen integriert. Zum Laden fährt der Fahrer mit seinem Fahrzeug über die Sendespule und die Batterien werden automatisch gefüllt. Ähnlich wie beim kabellosen Laden von Smartphones wird elektrische Energie mit Hilfe eines Magnetfelds in den Akku geladen. Die Herausforderung beim Automobil ist der größere Abstand zwischen Sende- und Empfängerspule sowie die höhere zu übertragende Leistung.
EDAG, Entwicklungsdienstleister in der Automobilindustrie, hat daher im Rahmen des Forschungsprojekts „LaneCharge“ ein innovatives Verfahren für induktives Laden von Elektroautos entwickelt und zum Patent angemeldet. Die Technologie ist insbesondere für Kommunen und Infrastrukturbetreiber attraktiv, denn sie ermöglicht es, kostengünstig eine robuste und interoperable Lade-Infrastruktur für E-Autos bereitzustellen.
Fahrzeug übernimmt Ladestrom-Steuerung
Bei den bislang verwendeten Lösungsansätzen befindet sich die Lade-Intelligenz auf der Primärseite, also gewöhnlich in der Straße. Für einen Ladepunkt existiert bisher immer eine Elektronik auf der Primärseite und eine Elektronik auf der Sekundärseite, die via WLAN in Echtzeit miteinander kommunizieren. Will man jetzt zur Kosten- und Ressourcenoptimierung an einer Elektronik der Primärseite zwei oder mehr Sendespulen gleichzeitig betreiben, kann das den Ladevorgang beeinträchtigen, wenn Fahrzeuge mit unterschiedlichem Füllstand gleichzeitig geladen werden. Sind beispielsweise in einem Wagen die Batterien zu mehr als 80 Prozent geladen, muss der Ladestrom generell reduziert werden. Damit bekommen dann auch alle anderen Fahrzeuge weniger Energie, die Ladezeit wird unnötig verlängert.
Die neuentwickelte Steuerungselektronik bedeutet einen Paradigmenwechsel für das induktive Laden von batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV).
Im Gegensatz dazu sitzt bei der EDAG-Lösung die Steuerungselektronik im Fahrzeug. Die Elektronikbaugruppe in der Straße versorgt zwar ebenfalls mehrere Sendespulen, jedoch wird die Ladeleistung der einzelnen Spulen dem individuellen Energiebedarf des jeweiligen Fahrzeuges angepasst – ein erheblicher Beitrag zur Ressourcenschonung und zur Kostensenkung auf der Infrastrukturseite. Damit wird die Technik für Kommunen und andere Infrastrukturbereiter von Lademöglichkeiten ökonomisch attraktiv.
Ein weiterer Unterschied: die traditionelle Technik benötigt eine Echtzeit-Datenkommunikation per WLAN, um kontinuierlich Daten über den Füllstand zu melden, damit die Steuerung den Ladestrom in den Sendespulen anpassen kann. Bei der EDAG-Lösung entscheidet dagegen die im Fahrzeug verbaute Ladeintelligenz selbstständig, wieviel Leistung sie der Sendespule abnimmt. Eine Echtzeitkommunikation ist daher nicht mehr notwendig. Ganz entfallen kann sie jedoch nicht, dann das Fahrzeug muss sich anmelden, um den Ladevorgang zu starten und sich abmelden, um ihn wieder zu stoppen. Außerdem muss eine Identifikation erfolgen, anhand derer abgerechnet werden kann.
Hier wird auf dem Hochschulgelände getestet, welche Leistung die im Asphalt verborgene Induktionsspule liefert.
Aufgabe von EDAG im Rahmen des Projektes ist es, die Leistungselektronik zu entwickeln – sowohl Primär- wie Sekundärseite – und die einzelnen Baugruppen in das Fahrzeug zu integrieren.
Das Projekt „LaneCharge“ wird im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität des BMDV mit insgesamt 2,7 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt.
Induktives Laden von Elektroautos hat Potenzial
Die Ladeleistung im Projekt ist auf 3,6 kW begrenzt und bewegt sich damit im Rahmen der Leistungsklasse WPT1 (P≦3,7 kW). Eine serienreife Lösung könnte auch WPT2 (P≦7,7 kW) oder WPT3 (P≦11,1 kW) erreichen. Das im Projekt verwendete Nissan-Modell kann herstellerseitig mit maximal 6,6 kW geladen werden.
Natürlich kann eine weitgehend entleerte Batterie mit einer solchen Ladeleistung nicht in kurzer Zeit geladen werden. Doch die Überlegung, die hinter dieser Lade-Technologie steht, ist eine andere: Nicht (erst) laden, wenn es nötig ist, sondern laden wann immer es möglich ist: Auf dem Parkplatz vor der Gemeindeverwaltung, vor dem Schwimmbad und beim Arbeitgeber. Öfter in kleinen Portionen zu „tanken“, wenn das Elektroauto sowieso gerade steht, ist einfacher und bequemer, als extra zum Auffüllen der Batterien eine Ladesäule anzusteuern, die womöglich nur in einiger Entfernung zu finden ist.
Zudem kommt die Lösung von EDAG nicht nur für stationäres Laden infrage, also wenn das Fahrzeug längere Zeit steht. Am Taxistand rückt die Fahrzeugschlange immer wieder ein Stück vor, deshalb werden mehrere Ladespulen hintereinander in der Wartespur installiert, um semi-dynamisches Laden zu ermöglichen. Das wäre zum Beispiel auch an Ampeln denkbar, um den kurzen Stopp während der Rotphase zum Laden der Batterie zu nutzen.
Und nicht zuletzt ist das induktive Laden von Fahrzeugen nicht auf den Straßenverkehr beschränkt: Industrie und Betriebe der Kommunen setzen bereits Elektrofahrzeuge ein, wie Niederflurfahrzeuge, Gabelstapler oder fahrbare Mäher. Hier könnte die EDAG-Lösung das Handling an den Ladestationen vereinfachen, oder sogar die Zwangspausen zum Befüllen der Akkus gänzlich überflüssig machen: Mit Ladespulen in den üblichen Fahrwegen, so dass die Batterien dynamisch, also im laufenden Betrieb, geladen werden und die Fahrzeuge damit kontinuierlich zur Verfügung stehen.
Jochen Rohm, Entwicklungsingenieur Embedded Systems bei EDAG, begleitet das Projekt „LaneCharge“ und kann Ihnen weitere Auskünfte zu der von EDAG entwickelten Lösung geben. Detailliertere Informationen finden Sie auch in unserem Whitepaper „Induktives Laden – aber smart“, das Chancen und Mehrwerte des kabellosen Ladens für Kommunen und Anwender darlegt.