Welcher Rechtsrahmen regelt in der EU die Typgenehmigung? Kann die Zulassung auf andere Märkte übertragen werden, oder welche Regeln gelten dort? Und was sind die größten Herausforderungen im Homologationsprozess? Ein Wegweiser durch den Dschungel aus internationalen Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen.
Die Homologation, also der Nachweis, dass ein Fahrzeug mit allen relevanten gesetzlichen Vorschriften übereinstimmt, mündet in der EU in die sogenannte Typgenehmigung. Ohne diese darf kein Serienfahrzeug auf den Markt gebracht werden.
Der Abschluss dieses Prozesses ist in den verschiedenen Weltmärkten unterschiedlich geregelt. In der EU sowie in China wird die Konformität von bevollmächtigten technischen Diensten geprüft und behördlich bescheinigt. In den USA und Kanada gilt eine Selbst-Zertifizierung inklusive hinterlegten Dokumenten als ausreichend, lediglich für die Emissionen bedarf es einer Zertifizierung durch die Umweltbehörde.
Rechtliche Grundlagen
Abseits der großen Märkte Nordamerika und China haben sich mehr als 60 Staaten in einem Abkommen der Vereinten Nationen von 1958 (UN1958) darüber verständigt, bestimmte Standards bei der Fahrzeugzulassung einzuhalten und diese gegenseitig anzuerkennen. Nachdem die EU-Mitgliedsstaaten bereits jeweils Teil des Abkommens waren, ist die EU 1998 aus praktischen Gründen als Ganzes beigetreten. Das Abkommen erleichtert Import/Export von in der EU typgenehmigten Gesamtfahrzeugen sowie den Vertrieb genehmigungspflichtiger Bauteile bzw. einbaufertiger, selbstständiger technischer Einheiten.
Leider reicht dieses Abkommen nur in einer sehr speziellen Nische bis hinauf zur Gesamtfahrzeugtypgenehmigung. In der Folge beruhen Entwicklung und Zertifizierung von Fahrzeugen für den europäischen Wirtschaftsraum EWR (EU mit Island, Liechtenstein und Norwegen) auf einem Vorschriftenmix der EU und UN. Mit der bei einer einzigen Kraftfahrzeugbehörde innerhalb der EU erzielten Fahrzeugtypgenehmigung lässt sich ohne weiteres im gesamten EWR, also in 30 Ländern, verkaufen.
Zentral ist hier die EU-Verordnung Nr. 2018/858. Sie regelt die Genehmigung und Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für die Fahrzeugklassen Pkw, Kleintransporter, Busse, Lkw und deren Anhänger.
Für Hersteller genehmigungspflichtiger Bauteile ergibt sich eine Vereinfachung, weil sie fast nur von UN-Regelungen betroffen sind. Der Wirtschaftsraum entspricht ohne Zusatzmaßnahmen dem des UN1958-Abkommens, welches zur Zeit 68 Mitgliedsländer umfasst. Die Auswahlmöglichkeit von Kraftfahrzeugbehörde und technischen Diensten ist entsprechend breiter. Beispiel: Ein Frontscheinwerfer fällt unter die UN-Regelung Nr. 149. Mit der entsprechenden Bauteilgenehmigung lässt er sich ohne Zusatzaufwand in 68 Ländern verkaufen.
Entwicklungstimings für Gesamtfahrzeuge sind mit der Erteilung neuer Bauteilgenehmigungen verzahnt, wenn es korrespondierende Zertifizierungsumfänge am Fahrzeug gibt, wie z. B. die korrekte Installation von Lichtsignaleinrichtungen. Hierauf muss geachtet werden, denn die Zertifizierung auf Fahrzeugebene folgt der Bauteilebene, niemals umgekehrt.
Einzelne Systeme benötigen für den EU-Markt sogar eine doppelte Zertifizierung, und zwar sowohl nach EU- als auch nach UN-Vorschrift. Ein Beispiel ist der Ereignisdatenspeicher, eine Art Blackbox, die für neue Pkw-Typen seit Juli 2022 verpflichtend ist. Der Stichtag für bereits am Markt befindliche Typen und andere Fahrzeugklassen wie schwere Lkw weicht davon ab (siehe Workshop Homologation Modul 2). Die Bestimmung solcher unterschiedlichen Einsatzdaten ist ebenfalls eine Aufgabe der Homologation.
Gesetzeskompetenzen…
Als Führer durch den Dschungel der Gesetze und Verordnungen kann das EDAG-Homologationsteam gute Dienste leisten. Die Experten haben über verschiedene Quellen stets Zugriff auf fast alle aktuelle Fahrzeugvorschriften und können aufgrund ihrer umfangreichen Erfahrung Hilfestellung bei der Interpretation auch neuerer Gesetze und Verordnungen leisten.
In der Entwicklungsphase bedeutet dies, dass EDAG bereits bei der Ableitung der Spezifikationen und Lastfälle für ein bestimmtes Projektszenario sicherstellt, seine Entwicklungsumfänge zertifizierbar zu machen bzw. die Zertifizierungsfähigkeit zu implementieren. Ebenso gehören Pre-Tests, also Prüfungen im laufenden Entwicklungsprozess, zum Service-Portfolio.
Für die anschließende Phase der Zertifizierung/Selbstzertifizierung wird Unterstützung bei der technischen Dokumentation angeboten, die für beide Prozesse zwingend notwendig ist. Das schließt die Erstellung entsprechender Zeichnungen und technischer Berichte ein. Bezüglich Rollenverteilung, Timing, Herstellererstbewertung und anderer, notwendiger Schritte mit technischen Diensten und Behörden bietet EDAG ein umfangreiches Beratungsangebot.
Hervorzuheben ist, dass die Expertise von EDAG nicht auf den Pkw-Bereich begrenzt ist, sondern sich auf fast alle Fahrzeugklassen erstreckt, also auch auf Last- und Lieferwagen, Busse, Anhänger, Zwei-, Drei- und Vierräder der Klasse L sowie Fahrzeuge für besondere Einsatzzwecke – vom Wohnmobil über gepanzerte Fahrzeuge bis zum rollstuhlgerecht umgebauten Van.
… und Expertise im Umgang mit Behörden und technischen Diensten
Ein weiteres Highlight ist die Ausnahmegenehmigung von EDAG für Erprobungsträger mit Straßenzulassung. Sie erstreckt sich auf die Fahrzeugklassen Pkw, Kleintransporter, Busse, Lkw und die Klasse L. Der Anwendungsbereich reicht von durch EDAG modifizierte Fahrzeuge bis hin zu neuen, bei EDAG einzeln gefertigten Typen, die dann vom Kunden in Serie produziert werden. EDAG kann damit modifizierte Fahrzeuge auf die Straße schicken, ohne diese zuvor vom TÜV erneut begutachten lassen zu müssen. Dies spart Zeit und Kosten im Erprobungsprozess.
Die Veränderungen dürfen u. a. den Motor, die Motorsteuerung und das Emissionsverhalten umfassen, ebenso Systeme wie Bremse und Lenkung. Das schließt auch Fahrerassistenzsysteme bis zu den Grenzen von SAE-Level 2 mit ein. So bietet sich die EDAG Group auch als Partner für Zulieferer entsprechender Assistenz-Systeme an, die ihre einbaufertigen ADAS kalibrieren und in Live-Situationen erproben lassen möchten, ohne ein Prüfgelände buchen zu müssen.
Umfassende Informationen im Workshop
Viel Wissenswertes und zahlreiche Details rund um die Homologation liefert EDAG in eigens konzipierten Kundenseminaren. Die Zielgruppe sind Entwickler, Projektkoordinatoren bis -Manager, Vertrieb, Fahrzeughersteller, Lieferanten und neue OEMs. Die Seminare sind in drei Module gegliedert:
- Modul 1 – Basisseminar Homologation: Die Teilnehmenden sollen Fahrzeugzertifizierung/Selbstzertifizierung und die Rollen der Beteiligten verstehen und in die Lage versetzt werden, Gesetzeskonformität in Lastenhefte, Angebote u. ä. zu implementieren.
- Modul 2 – EU-Sicherheitsverordnung GSR 2: Die Teilnehmenden lernen unter anderem Inhalt und Hintergrund der zweiten Generation der EU-Sicherheitsverordnung kennen, verstehen die gestaffelten Einsatzdaten neuer Anforderungen und erhalten einen tieferen Einblick in bestimmte Fahrerassistenzsysteme.
- Modul 3 – Fahrassistenzsysteme und Fahrautomatisierung: Die Teilnehmenden verstehen die Grundlagen von ADAS und ADS, die Systematisierung gemäß SAE J3016, die Anforderungen zur Homologation sowie die Differenzierung zwischen Zertifizierung und Produkthaftung.
Das Basisseminar ist in diesem Jahr erstmals auch über die Wissensplattform carhs zugänglich, je zweimal auf deutsch und englisch. Der erste Termin findet am 23. Mai statt.
Haben Sie Fragen zur Homologation oder interessieren sich für ein Kundenseminar? Dann sprechen Sie mit Christian Radt, Projektleiter Homologation in der EDAG Engineering GmbH. Oder laden Sie sich gleich hier unser Whitepaper „Keine Angst vor der Homologation“ herunter. Es liefert umfassende Informationen zum grundsätzlichen Rahmen der Homologation und benennt Herausforderungen sowie mögliche Stolpersteine. Zugleich zeigt es Wege auf, wie Sie kompetente Unterstützung für diesen Prozess finden.