Ein hochwertiges Soundsystem im Auto ist noch keine Garantie für guten Klang. Die Charakteristiken der Lautsprecher, der Einbau ins Fahrzeug und ihr Abstrahlverhalten sind nur einige der Variablen, die den Hörgenuss beeinflussen. Auf dem Weg zu einer klanglich perfekten Abstimmung leistet geeignete Messtechnik gute Dienste. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die sich in der Anwendung unterscheiden.
Wer auf dem Weg zum Kunden oder nach Hause Musik genießen will, kann dabei auf eine Vielzahl von Abspielmöglichkeiten zurückgreifen. DAB-Radio, Streamingangebote aus dem Internet oder die persönliche Playlist vom Smartphone – die digitale Übertragung verläuft in der Regel ungestört und mit hoher Auflösung. Doch was die Ohren am Ende erreicht, steht noch mal auf einem anderen Blatt.
Das Grundgerüst des Soundsystems besteht aus Verstärker und Lautsprechern. Erst durch mikroprozessorgesteuerte Signalverarbeitung entsteht aus den einzelnen Schallquellen im Fahrzeug ein abgestimmtes Gesamtsystem, das Musik, Podcasts oder beispielsweise Ansagen des Navigationssystems klar und detailgetreu wiedergeben kann. Doch wie die Signalverarbeitung erfolgen muss, um ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen, ist eine herausfordernde Aufgabe in der Soundsystem-Entwicklung. Im Folgenden werden verschiedene Möglichkeiten zur messtechnischen Klangabstimmung im Fahrzeug vorgestellt.
Grundlegende Rahmenbedingungen
Als Ausgangspunkt für die nachfolgenden Betrachtungen dient ein System mit 14 Lautsprechern und einem Verstärker – ein typisches Setup aus dem Premium-Sektor. Im Vorderwagen werden häufig 3-Wege-Systeme, bestehend aus einem Tief- und einem Mitteltöner in den Türen und Hochtönern in den A-Säulen oder I-Tafeln, verbaut. Der Subwoofer findet meistens im Kofferraum seinen Platz.
Mit Blick auf die Einbaupositionen der Schallwandler fallen sofort mehrere Problemstellen auf. So ist die Sitzposition der Fahrgäste nicht mittig im Fahrzeug und daher aus akustischer Sicht nicht optimal. Ein Center-Lautsprecher im Dashboard kann sowohl für den Fahrer als auch den Beifahrer eine ordentliche Bühnendarstellung, also eine gute Platzierung der Instrumente und der Gesangsstimme, erreichen.
In den hinteren Türen verzichtet man häufig auf die Mitteltöner. Der Abstand der verbauten Mitteltöner (falls vorhanden) und vor allem der Tweeter zum (Bei-)Fahrer ist zudem deutlich geringer als zu den hinteren Passagieren. Ohne Klangabstimmung sind diese Lautsprecher vorne sitzend daher zu stark wahrnehmbar. Die Voraussetzungen variieren dabei von Fahrzeug zu Fahrzeug und je nach Lautsprecherkonfiguration sehr stark, zum Beispiel in Abhängigkeit des Abstrahlverhaltens eines Hochtöners. Durch sinnvolle Ausrichtung können die Pegeldifferenzen zwischen linkem und rechtem Tweeter bis zu einem gewissen Grad angeglichen werden.
Noch komplexer und zeitintensiver sind Auslegung und Abstimmung von High-End-Systemen mit 30 oder gar 40 Lautsprechern. Diese ermöglichen allerdings noch detailgetreuere Wiedergabe von 3D-Sound und anderen Algorithmen.
Messtechnisch unterstützte Klangabstimmung
Grundlage für die Signalverarbeitung zur Optimierung des Klangbildes sind Daten über die Schallausbreitung in der Fahrzeugkabine. Dazu gehören in der Entwicklungsphase beispielsweise detaillierte Messungen der Lautsprecher inklusive Richtdiagrammen und 3D-Balloondaten. Von großer Bedeutung sind im weiteren Verlauf auch die Frequenz-Amplituden-Verläufe der einzelnen Lautsprechergruppen und der Gesamtfrequenzgang, also die Summe aller Schallquellen, gemessen auf dem Fahrerplatz. Die im Fahrzeug erhobenen Kurven stimmen nicht mehr im Ansatz mit den Daten aus der Entwicklungsphase überein, die im Freifeld ohne nennenswerte Reflexionen und auf Achse in einem Meter Abstand gemessen wurden.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die einzelnen Lautsprecher(-gruppen) im Fahrzeug zu vermessen:
- ein einzelnes Mikrofon,
- ein Kunstkopfsystem oder
- Mikrofonarrays aus mehreren Mikrofonen.
Die Messmethoden haben jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile. Als Messsignale werden entweder Rauschsignale (Pink- oder White-Noise) oder logarithmische Sinus-Sweeps verwendet. Die über die Mikrofone aufgezeichneten Impulsantworten werden dabei mittels Fast-Fourier-Transformation (FFT) in kurze Ausschnitte zerlegt und in den Frequenzbereich übersetzt.
Bei Messungen mit einem einzelnen Mikrofon können reproduzierbare Resultate erzielt werden, indem man ein Rauschsignal abspielt und das Mikrofon dabei langsam um das Gesicht bewegt. Während der Messdauer von ca. 10 bis 15 Sekunden werden sehr viele Daten erhoben und z. B. mittels Real Time Analyzer (RTA) über die Zeit gemittelt dargestellt. Die stationäre Verwendung eines Einzelmikrofons ist dagegen bei der Frequenzganganalyse nicht zu empfehlen. Geringe Positionsänderungen führen oberhalb von ca. 300 Hz zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Kunstköpfe werden immer dort verwendet, wo die Psychoakustik eine wichtige Rolle spielt. Diese beschäftigt sich mit der Wahrnehmung und dem Empfinden von Geräuschen und Klängen. In NVH-Abteilungen (Noise-Vibration-Harshness) werden zum Beispiel durch Vibrationen hervorgerufene, störende Geräusche aufgezeichnet und anschließend analysiert. Soll eine normale Mikrofonaufzeichnung nachgestellt werden, muss die Kunstkopfaufnahme mittels HRTF (Head related transfer function) entzerrt werden. Hierbei werden die an Kopf- und Schulterpartie auftretenden Schallreflexionen und -beugungen ebenso ausgeglichen wie z.B. die Pegelüberhöhung im Bereich um 4 kHz (λ/4-Resonanz des Gehörgangs). Der große Vorteil dieser Aufnahmetechnik ist, dass die Richtungsinformationen bei der Wiedergabe über einen ebenfalls entzerrten Kopfhörer sehr gut dargestellt werden. Bis zu einem gewissen Grad kann also das im Fahrzeug verbaute System auch am Schreibtisch angehört und bewertet werden.
Die dritte Möglichkeit sind Mikrofon-Arrays aus sechs oder mehr Mikrofonen, um einen größeren Aufnahmebereich mit einer Messung abzudecken. Die einzelnen Messkurven werden dabei gemittelt, wodurch die großen Unterschiede der Einzelmessungen oberhalb von etwa 300 Hz geglättet werden. Diese Messung ist damit schon recht gut an das Auflösungsvermögen des menschlichen Gehörs angepasst. Mehrere Arrays werden auf den verschiedenen Sitzen platziert, um gleichzeitig Daten über das gesamte Schallfeld im Fahrzeug zu bekommen. Soll der Klang für alle Fahrzeuginsassen gleichzeitig optimiert werden, ist dies sehr wichtig, da sich alle Schallquellen im Fahrzeug gegenseitig beeinflussen.
Fazit
Ob bei einem Soundsystem aus 14 Lautsprechern in einem Kleinwagen oder einem 40-Kanal-System in einem großen SUV – akustische Messtechnik hilft bei der Beantwortung vieler Fragen, beispielsweise:
- Stimmt das Verhältnis von tiefen zu hohen Frequenzen?
- Kommt der Schall von den einzelnen Lautsprechern zum richtigen Zeitpunkt beim Gehör an?
- Kommt es bei höheren Lautstärken zu Verzerrungen?
Die Abstimmung anhand einer Frequenzgang-Zielkurve liefert eine sehr gute Basis für alle weiteren Feinheiten. Durch passende Pegel-Verhältnisse und Laufzeiten zwischen den einzelnen Lautsprechern kann rein messtechnisch ein gutes Ergebnis erreicht werden. Im professionellen Umfeld bietet ein solches Tuning weitere Vorteile. Die Systeme können noch in der Produktionsstraße gemessen und anhand der Tuning-Messkurven verifiziert werden. Des Weiteren bilden die Kurven und Einzahlwerte stets die Grundlage für (teil-) automatisierte oder auch virtuelle Klangabstimmungen – auch wenn am Ende der „Faktor Mensch“ unverzichtbar ist beim finalen Feintuning.
Wie man aussagekräftige Simulations- und Messdaten erhält, sie richtig interpretiert und die geeigneten Schlüsse daraus zieht, weiß Thomas Baumgartner, Fachexperte im Bereich Sound & Akustik bei der EDAG Group. Er beantwortet gerne Ihre Fragen zur messtechnischen Klangoptimierung von Soundsystemen im Fahrzeugbau. Weitere Details zu Messvorgängen und den daraus resultierenden Erkenntnissen finden Sie zudem in unserem Whitepaper „Für optimalen Hörgenuss auf vier Rädern“, das Sie gleich hier herunterladen können.