Die Digitalisierung des Verkehrsgeschehens in Deutschland nimmt immer mehr Fahrt auf. Dabei bietet die Nutzung der Daten aus Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur zahlreiche Chancen, etwa zur Entwicklung von Smart Cities oder um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Doch dazu bedarf es einer ungehinderten Kommunikation mittels offener Standards – und der entsprechenden Plattformen in öffentlicher Hand.
Das Auto der Zukunft ist elektrisch, digital und nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern auch Teil des „Grid“, des elektrischen Stromnetzes. Denn die Energiewende, mit vielen tausend dezentralen Einspeisepunkten, macht es für die Netzbetreiber immer schwieriger, die Netzstabilität zu sichern. Stromspeicher, die je nach Bedarf Energie aufnehmen oder abgeben, werden daher als stabilisierender Faktor immer wichtiger. Und warum sollte man mit hohen Kosten große Speicher errichten, wenn der gleiche Effekt, wiederum dezentral, mit bereits verfügbaren, kleinen Speichern – den Akkus in Elektroautos – erreicht werden kann? Das ist zumindest die Idee, die hinter dem Schlagwort „Bidirektionales Laden“ steht, das zum Beispiel in Japan und in Kalifornien bereits praktiziert wird.
Deutsche Fahrzeughersteller setzen die Technik künftig ebenfalls ein. So hat VW angekündigt, alle ID-Modelle mit 77-kWh-Batterie mit dieser Technik auszustatten [Quelle: Volkswagen], zunächst um die Versorgung im Hausnetz zu gewährleisten, später auch um direkt in die öffentlichen Stromnetze rückspeisen zu können. Das soll aber noch etwa zwei Jahre dauern. BMW testet die Technik im Rahmen eines Pilotprojekts mit speziell ausgerüsteten Versionen des i3 [Quelle: BMW], Mercedes ist mit seinem EQS in Japan mit dem dortigen Ladestandard CHAdeMO in der Lage, bidirektional ins Hausnetz (V2H, „Vehicle-to-Home“) oder ins öffentliche Stromnetz (V2G, „Vehicle-to-Grid“) zu laden [Quelle: Daimler]. Bereits heute gibt es auch hierzulande Start-ups, die mit solchen Geschäftsmodellen Autobesitzern die Möglichkeit bieten, Geld zu verdienen. Bis zu 1.000 Euro pro Jahr sollen für den Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes fließen.
Dass es nicht schneller vorangeht, liegt auch an der fehlenden Standardisierung: die Norm ISO 15118-20 soll die Kommunikation für das bidirektionale Laden regeln – doch bislang befindet sich der Standard noch in der Abstimmung.
Sprachverwirrung statt einheitlicher Datenbasis
Noch komplexer ist die Situation im fließenden Verkehr. Kommunale, staatliche und private Service-Gesellschaften, die Verkehrswege bauen, betreiben und warten, die Anbieter von Verkehrsinfrastruktur wie smarte Ampelanlagen und Lichtmasten, und nicht zuletzt die Fahrzeughersteller mit ihren markenspezifischen On-Board-Units (OBU) müssen unter einen Hut gebracht werden. Nicht einmal für die drahtlose Datenübertragung ist eine einheitliche Plattform gefunden: in Europa und anderen Märkten konkurrieren bei der Car-to-Anything-Kommunikation (C2X) die beiden Standards pWLAN (WLAN gemäß IEEE 802.11p) sowie LTE/5G miteinander.
So gibt es eine Reihe herstellerspezifischer Protokolle, Plattformen und Schnittstellen, die einer schnellen Digitalisierung im Wege stehen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich am Ende die schiere Marktmacht durchsetzt – und damit amerikanische IT-Konzerne nicht nur die weitere Entwicklung bestimmen, sondern auch die Wertschöpfung an sich ziehen. Über Services wie Autonomes Fahren, Kartendienste und Software-Plattformen, beispielsweise als Kommunikations- und Infotainment-Zentrale, dringen Google, Amazon, Microsoft & Co. schon heute in die Domäne der OEMs vor und bieten sich als Kooperationspartner an. Und ein Ende ist nicht abzusehen.
Herausforderung Smart City
Für die Herausforderungen einer zukunftsfähigen Verkehrsentwicklung ist es unerlässlich, dass die beteiligten Player zusammenspielen und eine möglichst umfassende Datenbasis schaffen. Nur so können die Verkehrssteuerung und die Verkehrsinformation aus einer Hand erfolgen. Parkplatzstatus, Luftqualitätsdaten, neue oder aufgehobene Straßensperren, aktuelle Staus und ÖPNV-Neuigkeiten sind nur einige der Einflussfaktoren, die darüber bestimmen, wie sich Menschen von A nach B bewegen.
Darüber hinaus können strategische Verkehrsplanung und die operative Verkehrsführung mit entsprechenden Daten qualitativ verbessert werden, wenn etwa mit Hilfe von Simulationen die Auswirkungen von Ampelschaltungen, neuen Radwegen oder geänderter Straßenführung bereits im Vorfeld abgeschätzt und auf das angestrebte Ziel optimiert werden. Im Idealfall können Kommunen den Bürgerinnen und Bürgern diese Daten als transparenten, DSGVO-konformen Service ihrer Smart City anbieten.
Begehrte Mobilitätsdaten
Tatsächlich befinden sich die europäischen Autohersteller in einer Entwicklungsphase einheitlicher Datenstandards und interoperabler Systeme. Aber auch auf Seiten der Kommunen und der weiteren Player gibt es Versuche, die wertvollen Fahrzeug- und Verkehrsdaten zusammenzuführen und lokal nutzbar zu machen. Mit GAIA-X soll auf EU-Ebene eine Dateninfrastruktur geschaffen werden, die den europäischen Staaten und den hier ansässigen Unternehmen ihre digitale Souveränität sichert und als Grundlage für ein transparentes digitales Ökosystem dienen kann, das die Privatsphäre der Bürger respektiert.
Schon mehr als 850 Mitglieder und 425 Organisationen sind im deutschen GAIA-X Hub versammelt. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert diese Initiative in 65 unterschiedlichen Projekten. GAIA-X erstreckt sich in Deutschland auf insgesamt zehn Bereiche, darunter Smart City/Smart Region, um die Infrastruktur durch die Bereitstellung von Datenplattformen für Kommunen und Landkreise zu verbessern.
Zusätzlich wird dieser Bereich mit 850 Mio. Euro in 73 Projekten vom Bundesministerium des Inneren (BMI) mit dem Programm „Smart Cities Made in Germany“ gefördert. Ziel sind Modernisierungsvorhaben im Bereich Infrastruktur und Digitalisierung im öffentlichen Raum auf Grundlage der „Smart City Charta“. Diese empfiehlt unter anderem, dass die von der Kommune erfassten und erzeugten Daten in deren Hoheit bleiben sollen. Ein weiterer Aspekt ist der Einsatz von Open Source Software, um Vendor-Lock-ins zu vermeiden und den Zugriff auf den Quelltext zu gewährleisten.
Starke Partner benötigt
Doch die Kommunen benötigen nicht nur eine gute technische Grundlage, sondern auch Zugang zu den anderen Playern, wie die Fahrzeug-OEMs und die Anbieter von smarter Verkehrsinfrastruktur. Die Liste der zu klärenden Fragen ist lang: Funktionalität, Wartbarkeit, Datenschutz (DSGVO), Datensicherheit und die relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen stellen sowohl die Städte und Gemeinden wie auch die Fahrzeughersteller vor enorme Herausforderungen.
EDAG als unabhängiger und innovativer Partner der Mobilitätsbranche kann Kommunen und Städten bei der Konzeption und Implementierung ganzheitlicher Smart-City-Lösungen und Datenplattformen unterstützen. Ein Beispiel ist die Beteiligung von EDAG am vom BMVI geförderten Projekt „Campus FreeCity – Reallabor zur Erforschung einer vernetzten Flotte modularer Roboterfahrzeuge“ in Frankfurt am Main. Hier kommt unter anderem das von EDAG entwickelte CityBot-Mobilitätskonzept zum Tragen. Ein weiteres Projekt ist die Visualisierung der Smart-City-Datenplattform für die Stadt Paderborn, die innovative Services auf Basis der urbanen Daten ermöglicht.
Aber auch für OEMs kann EDAG als Projektpartner die Zusammenarbeit mit Kommunen erleichtern und beschleunigen. Als Engineering-Spezialisten sehen wir uns als Mittler und Moderatoren, die Einblick in beide Bereiche haben. EDAG bringt das nötige Know-how mit, um sowohl für Smart Cities als auch auf Seiten der Fahrzeughersteller die Entwicklung voranzutreiben. So lässt sich beispielsweise das für den CityBot entwickelte Ökosystem aus Hard- und Software jederzeit auch auf andere Fahrzeuge übertragen.
Wenn Sie mehr über darüber wissen wollen, wie EDAG Sie bei Smart-City-Projekten und der Nutzung von digitalen Mobilitätsdaten unterstützen kann, sprechen Sie mit Karina Schäfer. Oder laden Sie sich unser Whitepaper „Digitale Daten: Die Goldgrube der zukünftigen Mobilität“ herunter.