Die Etablierung eines ganzheitlichen Ökosystems Mobilität erfordert eine Vernetzung von Fahrzeug und Infrastruktur durch übergreifende und leicht zu integrierende Software-Schnittstellen und Standards. Am Beispiel des Off-Street-Parkens werden im Folgenden Praxiserfahrungen aufgezeigt, wie ein Smart Parking System verschiedene Stakeholder durch eine Software-Plattform für den Datenaustausch, die Bezahlprozesse sowie den Automotive Connectivity-Standard ITS-G5 (WLANp) verbindet.
trive.park - Daten- und Bezahlplattform für digitale Parkhaus-Services
Parkhausbetreibern werden derzeit zudem wenige Möglichkeiten zur Lösung dieser Probleme von ihren klassischen Zulieferern angeboten. Die Daten- und Bezahlplattform trive.park vereinfacht dieses Dilemma durch Digitalisierung der Prozesse des Off-Street-Parkens. Nutzer können bereits vor Fahrtantritt per App ausgewählte Parktickets und spezielle Park-Angebote buchen. Die Angebote reichen dabei vom klassischen Kurzparker-Ticket, über Tagestickets bis hin zur Shopping-Pauschale mit hohen Rabatten. Langfristig sind dynamische Szenarien denkbar, wie die Integration der Buchung von E-Ladesäulen, vernetzte Mobilitätsketten und dem automatisierten Einparken.
Vernetztes und kooperatives Automated Valet Parking mit Cloud- und Connectivity-Lösungen
Automatisiertes Off-Street-Parking, oder auch Automated Valet Parking (AVP) genannt, ist nur durch ein vernetztes und kooperatives Zusammenwirken unterschiedlicher Partner möglich. Die Integration von Mobility Service Providern, den Fahrzeugentwicklern und der Vielzahl an Parkhausbetreibern erfordert ein solches digitales Management-System für die Abwicklung der Park-Prozesse. Zudem ist ein permanenter Austausch aller relevanter Daten durch innovative Car2X-Kommunikation und skalierbaren Backend-Systemen notwendig. Das Förderprojekt SynCoPark, welches aus Mittel des Forschungsprogramms zur „Automatisierung und Vernetzung im Straßenverkehr“ vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit 2,6 Mio. Euro gefördert wird, untersucht diese Aufgaben im Forschungsparkhaus in Braunschweig. 1
Dabei haben die Kollegen von trive.me die Verantwortung für alle Cloud- und Connectivity-Inhalte und adaptieren das Know-how aus der trive.park-Plattform für den AVP-Prozess. In einem Backendsystem werden alle notwendigen Daten zur Abwicklung eines AVP-Prozesses gespeichert und über Car2X-Technologien dem Fahrzeug kommuniziert. Eine besondere Rolle spielt dabei die offline-fähige Kommunikation zwischen Fahrzeug und Parkhaus über den cITS-Standard “ITS-G5”.
ITS-G5 als Möglichkeit für die V2X-Kommunikation
ITS-G5 ist ein Standard für die Fahrzeugvernetzung, der auf dem WLAN Standard IEEE 802.11p oder auch WLANp genannt, beruht. WLANp ist seit 2010 eine vom Normungsinstitut IEEE genehmigte Änderung des klassischen WLAN IEEE 802.11. Es definiert Verbesserungen, die benötigt werden, um Intelligent Transport Systems (ITS)-Anwendungen zu unterstützen.2
Dadurch können Fahrzeuge sowohl untereinander, als auch mit ihrer Umwelt vernetzt werden. Dazu wird das 5,9 GHz Frequenzband verwendet, welches speziell für die Car-to-X-Kommunikation reserviert wurde. VW hat die nötige Technologie um den Standard zu unterstützen bereits serienmäßig im Golf 8 integriert.
Car2X-Kommunikation im Parkhaus
Nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch im Parkhaus kann die Car2X-Kommunikation eine wichtige Rolle einnehmen. Im bearbeiteten Use Case “Automated Valet Parking” müssen Connectivity-Funktionen möglichst Parkhausbetreiber und Fahrzeughersteller unabhängig ausführbar sein.
Dafür muss der genutzte Standard für diese Kommunikation jedoch einige Voraussetzungen erfüllen, um in diesem Anwendungsgebiet relevant zu sein. Neben der Voraussetzung einer großen Reichweite zur effizienten Nutzung des Standards, spielen geringe Latenzen und hohe Zuverlässigkeit eine wichtige Rolle. Besonders für Fahrzeuge in Parkhäusern ist es wichtig, dass die Cloud basierenden Services ohne Internetverbindung funktionieren.
Kommunikation zwischen zwei ITS-Stationen
Die Kommunikation erfordert, dass jedes Fahrzeug eine sogenannte On-Board-Unit (OBU) besitzt und in der Infrastruktur Road-Side-Units (RSU) integriert sind. OBUs und RSUs sind von ihren Spezifikationen nahezu identisch, die RSU besitzt zusätzlich einen Ethernet Anschluss, um Backend basierende Services realisieren zu können.
Die grundlegende Kommunikation erfolgt automatisch durch Broadcasting von bestimmten Nachrichten, wie:
- Cooperative Awareness Messages (CAM), die permanent z.B. Position, Geschwindigkeit und Fahrtrichtung teilt.
- Service Announcement Extended Messages (SAEM), die zusätzlich von der RSU verwendet werden können, um auf spezielle Infrastruktur Services hinzuweisen. Beispiel: “Smart Car Park in Nähe”.
Anhand dieser CAMs kann außerdem die Entfernung zwischen den ITS-Stationen berechnet werden. Fällt diese unter ein definiertes Limit, dass für eine stabile Verbindung nötig ist, kann die OBU im Fahrzeug auf die SAEM der RSU reagieren. Somit kann ein Verbindungsaufbau zum Austausch von Daten und Nachrichten ermöglicht werden. Im folgenden Beispiel (Abbildung 1) wird auf die Smart Parking spezifische Funktionen „Ticketing, Legitimation und Schrankenöffnung“ eingegangen.
Abbildung 1: Kommunikation zwischen den ITS-Stations (OBU und RSU)
Das Neue an dem von uns entwickelten Verfahren: Die entwickelte Peer-to-Peer-Verbindung für den verschlüsselten Nachrichtenaustausch
Die Besonderheit an dem im Förderprojekt entwickelten Prozess besteht darin, dass eine direkte Peer-to-Peer Verbindung über IPv6 zwischen der On-Board-Unit und der Road-Side-Unit aufgebaut wird. Bei der standardmäßigen Nutzung des ITS Standards werden Nachrichten im Broadcasting-Verfahren gesendet und können somit von jedem Teilnehmer unverschlüsselt empfangen werden. Somit sind auch nutzerbezogene und sensible Daten für alle Car2X-Teilnehmer in der Umgebung sichtbar. Dieses Problem ist nun gelöst.
Abbildung 2: Kommunikationsaufbau zum Backend über Ethernet-Anschluss der RSU
In Abbildung 2 ist die Funktion “Überprüfung der Zugangsberechtigung zum Parkhaus und Schrankenöffnung” exemplarisch für eine Kommunikation mit dem Backend dargestellt. Nach erfolgreichem Verbindungsaufbau werden im Weiteren die MAC-Adresse oder alternativ eine User-ID der On-Board-Unit und die Road-Side-Unit geschickt. Das daran angeschlossene Smart Parking Backend ist in der Lage das Fahrzeug zu identifizieren, um z.B. eine Zugangsberechtigung an der Einfahrt prüfen zu können und ein Öffnungssignal an die Schrankenanlage zu senden und somit den Bezahlvorgang zu starten.
Im folgenden YouTube-Video ist der gesamte Prozess auf einem Test-Aufbau prototypisch dargestellt:
Ausblick
Der Use Case des vernetzten Automated Valet Parkings wird im weiteren Verlauf des Förderprojektes auf die Tiefgarage der Elbphilharmonie in Hamburg übertragen. Das Projekt dient dort dann als eines der Anker-Projekte des ITS-Weltkongresses 2021 in Hamburg.
Die serientaugliche Umsetzung der entwickelten Funktionen über den ITS-G5-Standard erfordert weitere Entwicklungen im Bereich der Standardisierung zur Verbreitung von cITS-Applikationen. Innerhalb des Projekts konnte die standardkonforme Anwendbarkeit nachgewiesen werden, jedoch benötigen verschiedene Funktion eine spezifische cITS-Applikation, um die vorgegebenen Kommunikations-Nachrichten anwendungsfall-spezifisch zu erweitern.
Denkbar ist daher ein eigener cITS-Appstore, auf dem Entwickler ihre Anwendung veröffentlichen können. Infrastrukturbetreiber sowie Fahrzeughersteller können diesen dann nutzen, um cITS-Apps zu installieren und auf die Anwendbarkeit der Funktionen transparent hinzuweisen. Dadurch kann eine schnelle Verbreitung von Infrastruktur-Services erreicht werden.
Alexander Süssemilch steht Ihnen als „Portfolio Manager Mobility & Connected Services“ bei Fragen und Anregungen gerne zur Verfügung und freut sich über einen Austausch.
2 https://www.elektronik-kompendium.de/sites/net/2407231.htm